Zwischenruf: Mail, Meeting und Memory im Überfluss – Trotzdem ist Kommunikation keine Commodity

Technologie ist nicht alles.

Technologie ist nicht alles.

Dieser Zwischenruf entstand auf Beobachtungen des vergangenen Jahres, in dem ich Gelegenheit hatte, verschiedene Unternehmen dank unterschiedlicher Projekte intensiver von innen zu studieren. Diese Unternehmen haben ein paar Eigenschaften gemeinsam, es sind alles international aufgestellte Unternehmen mit komplexen vielschichtigen Hierarchien, die alle Management geführt werden und direkt oder über Konzern-Mütter in einem der bekannten Börsen-Indices gelistet sind. Darüber hinaus sind die Unternehmen, auf die ich einen genaueren Blick werfen durfte recht unterschiedlich: Finanzdienstleister sind da ebenso darunter wie Hersteller von Konsumprodukten oder Pharmazeutika aber auch Handelsketten oder Logistiker.

Auch wenn meine Aufgaben dort meist sehr spezifisch waren und mit den allgemeinen Kommunikationsabläufen und -befindlichkeiten direkt nichts zu tun hatten, konnte ich doch eines immer wieder feststellen: Top-Management, Führungskräfte und Mitarbeiter haben gleichermaßen das Gefühl, es wird eher zu viel als zu wenig kommuniziert. Zu viele Meetings, zu viele E-Mails, zu viele Abstimmungen. Dieses Überangebot an Information führt zu zwei – für den Unternehmenserfolg aber auch für persönliche Karrieren – ganz entscheidenden Reaktionen:

  1. Kommunikation wird für eine Selbstverständlichkeit gehalten, die einfach da ist, um die man sich nicht kümmern muss. Ein austauschbares, leicht verfügbares, billiges Gut – kurz eine Commodity
  2. Das, was als „Kommunikation“ daher kommt, wird aufgrund des Überangebotes nur noch extrem selektiv wahrgenommen.

Nur noch individuelle Überlebensstrategien im Zuviel der Kommunikation

Individuellen Überlebensstrategien: Nichts hören, nichts sagen, nichts sehen.

Individuellen Überlebensstrategien: Nichts hören, nichts sagen, nichts sehen.

Schauen wir zuerst auf den zweiten Punkt. Da praktisch jeder das Gefühl hat, das Kommunikationsangebot nicht vollständig aufnehmen zu können, es aber auch keine hilfreichen Systeme oder vorgegebenen Strukturen zu geben scheint, greift jeder zu seinen individuellen Kommunikationsstrategien. Die will ich hier gar nicht näher vertiefen, von E-Mail-Ignoranz bis Meeting-Multi-Tasking kennen wir sie alle sehr gut – wenn auch meist eher aus Fremd- denn kritischer Selbstbeobachtung. Aber auf den Endeffekt dieser individuellen Schutzmechanismen möchte ich hinaus. Wir arbeiten gefühlt alle in einem riesigen, virtuellen Großraumbüro mit einer enormen multimedialen „Geräusch“-Kulisse, aus der nur noch ein ganz geringer Teil in unser Bewusstsein vordringt: hier ein klingelndes Telefon, dort eine direkt an uns gerichtete Frage und dann wieder ein gar nicht für unsere Ohren bestimmtes Gerücht, der Rest ist nur buntes Rauschen. Sie glauben das nicht? Dann beobachten Sie doch mal die Posteingänge Ihrer Kollegen oder deren Aufmerksamkeitskurven im dritten Status-Meeting des Tages. Oder beobachten Sie sich selbst.

Woran liegt es, dass Kommunikation heute nur noch so einen niedrigen Wirkungsgrad hat? Nun es liegt an der ersten Reaktion. Wie immer, wenn Menschen denken, etwas stünde unbegrenzt, praktisch kostenlos und immer in gleicher Form zur Verfügung, gehen wir damit zu leichtfertig um. Erfahrungen, die wir mit Luft, Wasser oder Energie schon schmerzvoll gemacht haben, wiederholen sich nun auch mit Kommunikation im geschäftlichen aber auch im privaten Umfeld – auch wenn uns das noch nicht so bewusst ist. Dieser Argumentation folgend könnte man jetzt von unternehmerischer Kommunikationsverschmutzung sprechen. Aber das ist terminologisch nicht korrekt. Denn das, was wir da treiben mit unseren Mails, Meetings und Memos ist gar keine Kommunikation. Was auf den ersten Blick wie eine akademische Spitzfindigkeit anmutet, ist eigentlich der Kern des Problems.

Echte Kommunikation sind die Seltenen Erden des Managements

Auch wenn sich Signale, Daten und Geräusche aufgrund der technischen Möglichkeiten fast beliebig vermehren lassen, wird (echte) Kommunikation mehr und mehr zum knappen Gut, zu Seltenen Erden des Managements. „Echte“ Kommunikation bedarf intellektueller und sozialer Zuwendung, kooperativer Ausdauer und eines keineswegs selbstverständlichen gemeinsamen Zeichenvorrats. Alles Dinge, die knapp sind, die nicht zum Nulltarif zu haben sind und die aktiv gemanagt werden müssen. Alles Dinge, die man übersieht, solange man Kommunikation für eine Commodity, ein unbegrenzt, zu niedrigen Kosten, in gleichförmiger Art und Weise zur Verfügung stehendes Gut hält. Dass dem nicht so ist, blitzt in Unternehmen höchst selten – dann aber schmerzhaft auf, z.B. wenn man feststellen muss, dass E-Mail, das Rückgrat unserer Unternehmenskommunikation, keineswegs für lau zu haben ist, sondern dass da zumindest mal spürbare IT-Kosten dran hängen können. Um im Bild der Commodity zu bleiben, Kommunikation ist nicht Wasser, das einfach aus dem Hahn kommt, wenn man ihn aufdreht. Kommunikation ist der Tee, der nur, wenn er in einer liebevollen Zeremonie zubereitet wird, ein Genuss ist und all seine Wirkung entfaltet.

Die Lösung: richtig verstandenes Kommunikations-Controlling

Manchmal ist eine Mail auch was Schönes.

Manchmal ist eine Mail auch was Schönes.

Die Lösung dieses Dilemmas – zu viel und doch zu wenig Kommunikation – kommt mehr oder weniger einer Revolution unseres derzeitigen Verständnisses von Unternehmensführung gleich. Kommunikations-Controlling heißt das Gebot der Stunde, aber nicht das falsche Verständnis von Kommunikation-Controlling im Sinne von kostengetriebenem Bepreisen von Kommunikation und Bevorzugung der vermeintlich kosten- und mühelosen Signalverbreitungstechniken. Nein, Kommunikation muss vielmehr gleichberechtigt neben den Waren- und Finanzströmen als dritte knappe Ressource im Unternehmen aktiv gesteuert und vor allem gestaltet werden. Vordergründig führt das erstmal dazu, dass Kommunikation deutlich teurer wird und dass wir alle viel weniger „kommunizieren“ können. Aber in Wirklichkeit befreit uns das von der Illusion, die fünfte E-Mail zum selben Thema hätte noch irgendeinen planbaren Effekt auf eine Organisation oder Führungskräfte und Projektmanager hätten auch nur annähernd einen Einfluss darauf, was ihr Team weiß und tut, jenseits der aktionistischen Panik-Peaks des Hier-Jetzt-und-Sofort. „Kommunikation“ im Zeichen von Hol- und Bringschuld gehört ebenso auf den Sondermüll des Managements wie technologische Verkündigungs- und Multiplikationsphantasien, die getarnt als Corporate TV oder Community daherkommen.

Die Hinwendung zu einer kooperativen Unternehmenskommunikation, die sich an unternehmerischen und persönlichen Zielen ausrichtet, die Mitarbeiter bewegt und mitnimmt, ist ein riesiger Innovationsgewinn und die Chance zum Wettbewerbsvorsprung für die Unternehmen, die sie zuerst wagen. Wie Sie das angehen können? Das ist wieder eine neue Geschichte! Aber die Bausteine dafür sind alle vorhanden, wir müssen sie nur gemeinsam zusammentragen. Wenn Sie das interessiert, freue ich mich über Ihre Rückmeldung. Aber vielleicht haben Sie zuerst ein paar kritische Rückmeldungen zu diesem Einwurf, denn so beginnt (echte) Kommunikation! Ich freue mich darauf! Und alle Ungeduldigen, die nicht auf weitere Texte warten wollen, verweise ich gerne auf unseren KMB| Trickfilm „Bessere Kommunikation für die Fiction Factory“. Wenn Sie das wiederum für zu naiv halten, auch dann sollten Sie anfangen, mit mir zu kommunizieren.

Wie gesagt, ich freue mich drauf!
Ihr Klaus Bernsau

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